Ronnie Meier (18)
Mit der Übergabe des Maturazeugnisses war es offiziell: Meine Zeit als Gymnasiast war vorbei. Ein Händedruck, ein Foto, ein Blatt Papier – und damit endete ein Abschnitt meines Lebens. Doch kaum war er abgeschlossen, breitete sich eine eigenartige Leere aus.
Die Welt schreitet voran, und ich stand da, als hätte man mir den Boden unter den Füssen weggezogen. Ich war nicht mehr das, was ich gewesen war – und noch nicht das, was ich sein sollte. Freunde verreisten, begannen eine Lehre, planten Umzüge. Ich sah, wie sie schon ihre neuen Rollen annahmen, während ich noch in diesem Limbo verharrte. Alles schien in Bewegung, nur ich blieb zurück – ohne Rhythmus, ohne Etikett, ohne klare Geschichte, die mich erklärte.
Einfache Frage, schwierige Antwort
«Und, was machst du gerade?» – Diese einfache Frage traf mich immer wieder. Meine Antworten klangen unsicher, unvollständig: «Ich warte auf den Studienbeginn.» – «Ich bin fertig mit dem Gymi.» Manchmal auch nur: «Nichts.» Ein Wort, das schwerer wiegt, als ich erwartet hätte. Natürlich traf es nicht zu, aber in diesem Moment kam es mir so vor.
Zum ersten Mal seit Jahren hatte ich keine Aufgabe, die mich leitete. Keine Prüfungen, keine Stundenpläne, keine Termine, die den Tag strukturierten. Was mich früher oft erdrückt hatte, fehlte nun plötzlich, und mit der Freiheit kam auch eine Leere. Ich wachte auf und wusste nicht mehr, wohin mit meiner Energie, meinen Gedanken.
Alles, was ich tat, schien beliebig, als ob es keinen Rahmen mehr gäbe, durch den es Bedeutung erhielt. Schüler, Student, Berufstätiger – als müsste man immer in eine Schablone passen, um erkennbar zu bleiben und wahrgenommen zu werden. Doch je länger ich im Schweigen stand, desto deutlicher spürte ich: Vielleicht ist es gerade richtig, nicht hineinzupassen. Vielleicht beginnt das Eigene dort, wo man die vorgefertigten Formen hinter sich lässt.
Teil von Geschichten
Vielleicht ist Identität nie etwas Festes, sondern immer in Bewegung. Ein Werden, das sich mal «Schüler» nennt, mal «Student», und doch von keiner dieser Beschreibungen vollkommen erfasst wird.
Während ich diesen Gedanken nachging, merkte ich: Ich war nie nur Gymnasiast gewesen, und ich werde nie nur Student sein. Ich bin Künstler, Freund, Bruder …: Teil von Geschichten, die nicht aufhören, wenn man eine Seite umblättert.
Und so sass ich da, noch in Gedanken über das, was war und was sein wird, als plötzlich die erste Vorlesung begann. Stimmen füllten den Raum, und so verstummten diese Gedanken. «Willkommen an der Universität.»

