Online Safety Act: Kinderschutz oder Überwachungsstaat?
Der Online Safety Act zwingt in England bestimmte Websites, allen voran Porno-Plattformen, ihre Nutzerinnen und Nutzer nur noch nach Vorlage eines Ausweises einzulassen.
Ronnie Meier (18)
Bereits wenige Tage nach Inkrafttreten halbierte sich die Zahl der Zugriffe auf grosse Sites wie Pornhub, xHamster und Stripchat. Gleichzeitig stieg die Nutzung von VPNs (VPN steht für Virtual Private Network, dieses verschlüsselt die Verbindung und verschleiert den Standort: So umgehen viele Nutzer die neuen Sperren und wahren ihre Anonymität) sprunghaft an. Experten nehmen an, dass VPNs sowohl von Jugendlichen als auch Erwachsenen genutzt werden, die ihre Privatsphäre schützen wollen.
Schnelle «Lösungen» bevorzugt
Bürgerrechtsorganisationen warnen, dass hier ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen wird: Heute sind es Porno-Sites, morgen vielleicht soziale Netzwerke oder Nachrichtenseiten. Das Online-Magazin Wired zitiert Daniel Kahn Gillmor, ein technischer Mitarbeiter der American Civil Liberties Union, eine seit über 100 Jahren aktive Bürgerrechtsorganisation: «Wir wissen, dass es Dinge gibt, die Kindern helfen, besser mit digitalen Medien umzugehen wie zum Beispiel ein adäquates soziales Unterstützungsnetzwerk. Es geht darum, Kindern zuzuhören, wenn sie Probleme haben, und dafür zu sorgen, dass sie funktionierende emotionale Beziehungen zu Erwachsenen haben, die auf sie eingehen können. Stattdessen suchen wir nach einer schnellen technischen Lösung, und diese technischen Lösungen haben Konsequenzen.»
Lohnende Ziele für Hacker
Auch IT-Sicherheitsfachleute sehen Risiken, denn die Pflicht zur Ausweisprüfung schafft gigantische Datenpools, zentrale Sammlungen von Ausweisdaten, biometrischen Informationen und Zahlungsnachweisen. Solche hochsensiblen Daten sind für Hacker ein lohnendes Ziel, weil sie entweder für viel Geld verkauft oder für Erpressung genutzt werden können. Gleichzeitig eröffnen sie Behörden die Möglichkeit, umfassende Profile über das Online-Verhalten der Bürgerinnen und Bürger zu erstellen, ein Szenario, das viele als Einfallstor für Massenüberwachung betrachten.
Die Frage bleibt, ob hier wirklich Kinder geschützt werden, oder ob vielmehr ein Klima der Überwachung entsteht, das alle trifft. Wie es Philip Zimmermann, US-amerikanischer Kryptograf und Erfinder des Verschlüsselungsprogramms PGP (Pretty Good Privacy), einmal formulierte: «Wenn Politiker deine Freiheit einschränken wollen, begründen sie das fast immer mit dem Schutz der Kinder.» Genau darin liegt die Gefahr: ein edles Motiv als Deckmantel für eine schleichende Erosion der Freiheit.
Quellen:
https://www.theguardian.com/technology/2025/jul/24/what-are-the-new-uk-online-safety-rules-and-how-will-they-be-enforced?
https://www.theguardian.com/society/2025/aug/13/porn-site-traffic-falls-online-safety-act-age-checks?
https://www.thetimes.com/uk/technology-uk/article/porn-site-website-traffic-age-verification-cvt8xb70r
https://www.wired.com/story/vpn-use-spike-age-verification-laws-uk
https://www.tomsguide.com/computing/online-security/its-not-surprising-that-the-online-safety-act-doesnt-cover-personal-data-safety
Bild: gov.uk

