Anno 2070 – 15 Jahre später
Das 2011 erschienene Strategiespiel «Anno 2070» blickte über 60 Jahre in die Zukunft. Was ist heute schon wahr, und wie präsentiert sich der Ausblick auf die nächsten 45 Jahre.
Quirin Gerosa (20)
«Anno 2070» war das erste Game, dass ich mir jemals gekauft habe, allein dadurch hat es einen besonderen Platz in meiner Gamer-Geschichte. Da Publisher Ubisoft den neusten Teil der Anno-Reihe vor zwei Monaten angekündigt hat, habe ich mich zuerst in das noch aktuelle «Anno 1800» und danach mit viel Freude wieder einmal in «Anno 2070» gestürzt. Dabei ist mir aufgefallen wie gross der Stellenwert der Umwelt und des Klimawandels war in einem Spiel, das vor bald 15 Jahren erschienen ist. Doch welche der Prognosen haben sich heute schon bewahrheitet, welche sind weiterhin ferne Zukunft und welche sind nicht eingetreten?
Von Kohlekraftwerken und Windrädern
Das Spielprinzip von Anno ist simpel: Man besiedelt eine Insel, baut Häuser. Die Inselbewohner haben Bedürfnisse, diese sind zuerst einfach zu stillen mit Fisch aus einer Fischerei. Wenn alle Bedürfnisse erfüllt sind, steigen die Bewohner in eine höhere soziale Klasse auf, die mehr und komplexere Bedürfnisse hat, diese gehören versorgt und so weiter.
Die Anno-Reihe spielt traditionell auf Inseln, anstatt wie in früheren Spielen einfach keine Erklärung dazu abzugeben, warum die «Welt» nur aus Inseln besteht, erklärt Anno 2070 dies zu Beginn; der gestiegene Meeresspiegel habe dazu geführt, dass ein Grossteil der Landmasse jetzt unter dem Meeresspiegel liegt und die übriggebliebenen Inseln ehemalige Hochplateaus oder ähnliches sind.
Anders präsentiert sich der Blick auf die Bewohner. Diese sind in drei Fraktionen aufgeteilt: Da sind die Industriellen, die Tycoons, die mit ihren Kohlekraftwerken und Fabriken die Umweltverschmutzung auf der Insel verursachen, was sie aber herzlich wenig kümmert. Die von den Techs verursachte Umweltverschmutzung fällt etwas geringer aus. Dafür sind sie selbst stärker von der Umweltverschmutzung betroffen. Am anderen Ende finden wir die Ecos, für die, wie der Name schon sagt, der Umweltschutz eine Priorität ist. Sie bauen keine Kohlekraftwerke, sondern Windräder und Solaranlagen. Damit zeigt Anno 2070 ein Abbild der Gesellschaft, wie sie auch 2011 schon vorhanden war, sich aber bis heute bestätigt hat.
Das Spiel bestraft eine zu starke Umweltverschmutzung auf den eigenen Inseln unabhängig von den darauf angesiedelten Bevölkerungsgruppen. Naturkatastrophen treten mit steigender Umweltverschmutzung vermehrt auf und beuteln die stark verschmutzten Inseln öfter. Das wirkt in der animierten Umsetzung teilweise komisch, da es passieren kann, dass ein Tornado mehrere Richtungswechsel vollzieht, um auch alle stark verschmutzten Inseln zu treffen.
Ab einem Punkt im Spiel lässt sich die Umweltverschmutzung bekämpfen – natürlich durch Gebäude, die Ressourcen intensiv sind im Bau oder teuer im Unterhalt. Die weiteren vorgeschlagenen Öko-Ideen waren mal mehr, mal weniger realistisch: Ein Flussklärwerk ist zwar heute bereits Realität, während ein die Ozonschicht reparierender Zeppelin zwar der Grundidee der CO2-Rückgewinnung entspricht, aber heute in weite Ferne gerückt ist.
Umweltverschmutzung als Spielmechanismus
«Anno 2070» arbeitet mit der Umweltverschmutzung als Spielmechanismus. Das gelingt, da sie subtil genug eingesetzt wird. Man kann die Umwelt auch komplett verpesten und im Spiel erfolgreich sein. Die Anreize eine komplett verpestete Insel aufzuräumen sind dennoch so balanciert, dass man sich als Spieler immer wieder überlegen muss ob die verbesserten Erträge durch eine bessere Ökobilanz nicht mehr bringen als die Einsparung der Kosten an Baumaterial, Geld und Entwicklungszeit, sowie an Spielzeit. Diese Verbindung des Umweltmechanismus mit dem, dem Spielprinzip zugrundeliegenden Wirtschaftsaspekt, sorgt dafür, dass die Umwelt im Spiel nie ein isoliertes Thema ist, das man weglassen oder ignorieren könnte.
Die Umweltverschmutzung als Mechanismus einzusetzen, ist ein spannendes Spielprinzip, vergisst aber andere umweltschädliche Faktoren wie Monokulturen oder übermässige Bodenversiegelung durch Beton und Strassenbau. Das Alter des Games zeigt sich auch dadurch, dass der Ausblick trotzdem positiv ist. Die komplette Umweltverschmutzung lässt sich vollständig rückgängig machen und die Welt in ein Grün glänzendes Paradies, in dem auch noch Menschen wohnen, verwandeln. Ob der Ausblick, wenn das Spiel heute auf den Markt käme, genauso optimistisch wäre, ist fraglich.
https://climate.mit.edu/explainers/carbon-capture
https://bildungsserver.hamburg.de/themenschwerpunkte/klimawandel-und-klimafolgen/meeresspiegel-bis-2100-745658
Bild: © Ubisoft