Ab nach Cyberia – Willkommen im Hasenbau
Das Internet ist ein bizarrer Ort. Die Online-Welt spiegelt in vielerlei Hinsicht unser Menschsein wider und zwar auf reinste Weise. Da gibt es keine Pflanzen, keine Tiere, auf die Rücksicht genommen werden muss. Wenn es nicht herrenlose Bot-Armeen sind, die für gehässige Stimmung sorgen, gurken nur wir Menschen durch den Cyberspace und hinterlassen unsere Spuren auf der Suche nach Inhalten, die uns begeistern.
Das können endlose Stunden von putzigen Katzenvideos sein – wobei ich als Hunde-Fan die «Cats are assholes»-Zusammenstellungen bevorzuge –, Sport-News, Unfälle, Katastrophen und Verbrechen, Tagesaktualitäten, potenzielle Partner:innen und weiteres mehr. Wir schieben während Stunden pro Tag den Daumen über den Touchscreen, bis das Gelenk schmerzt, und vertrödeln vielfach unsere Zeit.
Um uns bei der Stange zu halten, was bei werbefinanzierten sozialen Medien und anderen Plattformen zentral ist, leiten uns Algorithmen in extremere Ecken, in der Hoffnung uns zu empören. «Going down the rabbit hole», in den Hasenbau hinabsteigen, nennt sich dieser Vorgang. Das Bild stammt aus «Alice im Wunderland» von Lewis Carroll. Gewünscht ist vonseiten der Anbieter, dass die Nutzenden etwas tun, denn nichts ist besser als eine Diskussion, die online zu einem Streit ausartet und die Emotionen hochgehen lässt (hier leisten erwähnte Bots oft ihren üblen Beitrag).
Das Thema für diese Ausgabe von Cyberia – psychische Störungen – wurde an der Redaktionssitzung schnell gefunden, was nicht nur erfreulich ist. In ihren Beiträgen schildern die Redaktorinnen und Redaktoren aus eigener Erfahrung, wie Algorithmen sie von den Themen ihrer Hobbys und Interessen weggelockt und zu ungesunden Alternativen geführt haben.
Das Cyberia-Team zeigt auch auf, wie einfach Sicherheitsmechanismen und Schutzfilter von sozialen Medien umgangen werden können. Eltern sollten sich also nicht in Sicherheit wiegen, wenn Firmen wie Meta, Tiktok und Co. angeben, dass kritische Suchbegriffe gesperrt seien. Das sind sie vielfach, aber bereits leicht abgeänderte Schreibweisen führen zum tristen Ziel.
Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als spannende Lektüre bei den neuen Postkarten aus Cyberia zu wünschen, die auf cyberia.media kostenlos abonniert werden können.
Marc Bodmer
Projektleiter «Digital-Media-Insight Plus»
Das Projekt «Digital-Media-Insight Plus» und der Cyberia-Newsletter werden ermöglicht durch: Baugarten Zürich Stiftung, Beisheim Stiftung, Digiscovery Foundation, Stiftung Mercator Schweiz und Schweizer Institut für Gewaltfragen SIFG.