Ab nach Cyberia! – Weltuntergang?!
Mit etwas Verspätung erscheinen die neuen Grüsse aus Cyberia. Aline hat sich erneut mit der Frage des Jahres «Handy-Verbot an der Schule – ja oder nein?» auseinandergesetzt. Dieses Mal im Rahmen eines Experiments an der Kantonsschule Uster, das sehr unterschiedliche Herangehensweisen offenbarte.
Noch ist die Schule – allen Unkenrufen zum Trotz – nicht dem Untergang geweiht, dem Inselstaat Tuvalu hingegen blüht genau dieses Schicksal. Ronnie hat sich der faszinierenden Lösung dieses apokalyptischen Problems angenommen: Das Eiland lädt sich aus den steigenden Wassermassen hoch in die Cloud.
In einem besonderen Dilemma befinden sich die Autorinnen und Autoren von Fanfiction im Zeitalter von künstlicher Intelligenz, wie Vivian in ihrer Analyse aufzeigt, während Damian in die Niederungen von Deepfakes, Enkeltrickbetrügereien und gefälschten Promi-Pornos hinabsteigt.
Und weg sind sie
In letzter Zeit begegne ich immer wieder dem Phänomen des Ghostens, Neudeutsch für sich totstellen. Diese Taktik wird mehr oder weniger erfolgreich von Tieren angewendet, wenn sie sich in Lebensgefahr befinden. Raubtiere haben in der Regel kein Interesse an Aas. Wer also in Leichenstarre verfällt, hat vielleicht Glück, und der Jäger zieht vorbei.
Beim Ghosten laufen sämtliche Kommunikationsversuche ins Leere – und zwar oft von einem Tag auf den anderen. Dieser unvermittelte Abbruch lässt bei den Geghosteten schnell Zweifel aufkommen: Habe ich etwas Falsches gesagt? Wurde meine letzte Mail missverstanden? Ist das Gegenüber krank oder verunfallt? Bei älteren Freunden und Bekannten gesellt sich die finale Frage hinzu: Ist er oder sie gar gestorben?
Die Erklärung ist meist wesentlich profaner: Wer ghostet, ist – wie das gejagte Tier – hochgradig im Stress oder überfordert. Dass die kommunikative Verweigerungshaltung nichts zur Lösung des Problems beiträgt, sondern dieses in den meisten Fällen nur vergrössert und wird vor lauter Überforderung nicht bedacht. Und so werden auch Angebote der Unterstützung oder andere Hilfestellungen gar nicht wahrgenommen. Spätestens in diesen Momenten, die jeglicher Logik entbehren, und wenn die dargebotene Hand ins Leere greift, rattern die erwähnten Fragen durch die Köpfe der Hilfsbereiten.
Als Verantwortlicher des Newsletters verstehe ich meine Rolle in erster Linie als Coach. Ich werde Zeuge des Stresses, dem Schülerinnen und Schüler ausgesetzt sind. Dieser beschränkt sich nicht nur auf die Schule und Prüfungen. Er kann auch aus der Familie herrühren oder einer Aufgabe, die eine kritische Stellungnahme erfordert. Doch statt Hilfe oder das Angebot, eine Runde auszusetzen, anzunehmen, geht man auf Tauchstation, in der Hoffnung, der (non-existente) Sturm möge vorbeiziehen.
Sosehr ich Verständnis für diesen Stress habe, so sehr wünsche ich mir einen Moment der Ruhe und einen Perspektivenwechsel. Ich weiss, dass dies anspruchsvoll ist, doch wer in der Lage ist, sich in die Situation einer anderen Person zu versetzen, die durch die Funkstille ihrerseits unter Stress gerät, findet vielleicht schneller einen Ausweg aus diesem wenig zielführenden Verhalten.
Nun wünsche ich allen viel Spass beim Lesen der neuen Postkarten aus Cyberia, die auf www.cyberia.mediakostenlos abonniert werden können.
Marc Bodmer
Projektleiter «Digital-Media-Insight Plus»
Das Projekt «Digital-Media-Insight Plus» und der Cyberia-Newsletter werden ermöglicht durch: Baugarten Zürich Stiftung, Beisheim Stiftung, Digiscovery Foundation, Stiftung Mercator Schweiz und Schweizer Institut für Gewaltfragen SIFG.