Ab nach Cyberia – Games
Seit einer ganzen Weile beschäftige ich mich auf einer beruflichen Ebene mit Videospielen. Vor über 30 Jahren schrieb ich für den Blick die erste und lange Zeit letzte Game-Besprechung. In der kurzlebigen Jugendbeilage Ernst des Tages-Anzeigers und der «alten Tante» NZZ habe ich Computerspiele thematisiert. Das tue ich heute noch wöchentlich in der Aargauer Zeitung und gelegentlich in der NZZ am Sonntag.
Games sind für mich das Leitmedium der Gegenwart und wohl auch der Zukunft. Sie zu spielen, ist eine der intelligenteren Formen der Unterhaltung, was nach wie vor von vielen Nicht-Spielenden verkannt wird, womit wir beim Thema dieser Ausgabe von Cyberia sind: Die Spielerinnen und Spieler verstehen.
An Elternabenden und in Workshops bekomme ich oft zu hören, dass ich «einfach pro Games» sei. Nicht wirklich, aber ich bin «pro Gamer». Ich halte es nicht für sinnvoll, dass 96 Prozent der männlichen Jugendlichen in der Schweiz aufgrund der Wahl eines Mediums oder Hobbys schräg angeschaut und pauschal als süchtig, gewaltbereit oder einfach nicht ganz dicht angesehen werden.
Wie alles haben auch Games ihre gute wie schlechte Seiten. Aktuell lässt sich ein Trend zur schlechten Seite feststellen. Der Wechsel zum Geschäftsmodell «Free 2 Play», bei dem das Grundspiel kostenlos ist und die Finanzierung durch Mikrotransaktionen erfolgt, trägt zu einer Zersetzung der einstigen Meritokratie und Etablierung einer Plutokratie bei, wie es der Psychologe Sebastian Saraceno zusammengefasst hat. Problematisch ist auch der Einsatz von Bindungsmechanismen, die auch in Glücksspielen verwendet werden und das Suchtpotenzial steigern. Zu bemerken ist dabei, dass die Game-Industrie im Vergleich zur Glücksspielindustrie nicht reglementiert ist und nichts unversucht lässt, um das Geld aus den Taschen zu ziehen.
Tatsächlich ist keine Gamerin und kein Gamer von dieser Entwicklung begeistert ist. Für sie sind Videospiele Lernmaschinen, eine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten in der Kommunikation, im räumlichen Vorstellungsvermögen und anderen kognitiven Bereichen zu schulen und dabei erst noch Spass zu haben – manchmal sogar mit Mitspielenden. Massgeblich getrübt wird das Vergnügen durch manipulative Dark Patterns und die Möglichkeit, sich einen Sieg zu erkaufen.
Als Schwerpunkt hat das Cyberia-Team Games gewählt und beleuchtet in den Beiträgen unterschiedliche Perspektiven – von der LAN-Party über Serious Games zur Preisentwicklung von Computerspielen.
Nun wünsche ich allen viel Spass beim Lesen der neuen Postkarten aus Cyberia, die auf cyberia.mediakostenlos abonniert werden können.
Marc Bodmer
Projektleiter «Digital-Media-Insight Plus»
Das Projekt «Digital-Media-Insight Plus» und der Cyberia-Newsletter werden ermöglicht durch: Baugarten Zürich Stiftung, Beisheim Stiftung, Digiscovery Foundation, Stiftung Mercator Schweiz und Schweizer Institut für Gewaltfragen SIFG.